DreamMyselfAway

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Es ging mir eine Zeit lang fast gut. Nur habe ich das Gefühl, mein "gut" ist das "schlecht" psychisch gesunder Menschen. Eine Zeit lang hatte ich das Gefühl, ich komme da schon irgendwie durch. Und vielleicht hätte ich es ohne diesen ganzen Weltschmerz auch geschafft. 

Doch leider kann man die Wirklichkeit nur für eine gewisse Zeit verdrängen, und es passieren gerade wieder so viele Dinge, die mich unglaublich leer werden lassen, weil alle Gefühle der Welt nicht ausreichen, um darum zu trauern. Und von einer glücklichen Sekunde aus hat mich die Wirklichkeit geschluckt und mir gezeigt - nein, es geht dir nicht gut...

Dass ich noch Emotionen habe, ist mein einziger Lichtblick gerade, denn das zeigt mir, dass ich noch nicht vollständig ausgebrannt bin. Doch wenn Wut, Enttäuschung, Trauer, Angst und Verzweiflung meine einzigen Begleiter sind, was soll dann aus mir werden?

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Als ich das erste Mal über Routinen nachgedacht habe, habe ich innerlich darüber gelacht. Was soll mir schon eine Routine bringen? Wie soll mir Struktur in meinem Tag helfen? Täglich grüßt das Murmeltier, habe ich gedacht. Warum an dem immer gleichen Ablauf festhalten?

Und dann wurde die Zeit daheim immer schlimmer. Ich habe die wenigen Tage im Monat herbeigesehnt, an denen ich wieder zur Arbeit gehen durfte, egal, wie anstrengend diese wurden. Alles war besser, als den ganzen Tag daheim zu sitzen und nur Videos und Online-Lektionen zu haben, allein mit mir selbst, in der Stille einer kleinen Wohnung nur die eigenen Gedanken zur Gesellschaft.

Ein Jahr Corona ist vorbei und es ist immer noch kein Ende in Sicht. Immer noch sitze ich allein in der Wohnung und versuche, mich nicht von den wenigen Wänden erdrücken zu lassen. Aber eine Sache hat sich geändert - meine Routine. Das Ding, worüber ich noch Anfang letzten Jahres gelacht habe. 

Ich weiß jetzt meistens, wofür ich morgens aufstehe. Es sind die kleinen Dinge, die sich festgesetzt haben. Sei es nur, dass ich inzwischen den Anblick meines ungemachten Bettes am Tag nicht mehr ertragen kann. Sei es die Tatsache, dass ich trotz Lockdown körperlich fit bin, weil ich jeden Morgen Sport mache. Es sind die kleinen Dinge, die zählen und den größten Einfluss haben. Und ich möchte dieses Gefühl der Bedeutung in meinem Tag nicht mehr missen.

Kennt ihr das Gefühl, man sei nur ein ferngesteuerter Roboter, der irgendwie funktioniert, weil er es muss? Ich muss zugeben, dass mir das in den letzten Tagen immer häufiger passiert. Es gibt diese Phasen, in denen ich einfach nur dasitze oder liege, als sei ich auf Standby gestellt; und wenn dann doch der Aktionismus kommt, fühle ich mich hohl und leer. Vielleicht sind mir beim Ausmisten zu viele Emotionen auf einmal begegnet und jetzt sind einfach keine mehr übrig, sie müssen nachladen, sich wieder auffüllen. Leider ist mein Akku für negative Emotionen um ein vielfaches schneller beim Aufladen als der für die positiven. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, wenn ich jetzt aufhöre, versinke ich für immer im Chaos, sowohl innerlich als auch äußerlich. Deswegen werde ich wohl weitermachen und hoffen, dass die Hauptsicherung das ganze überlebt. 

Ich nehme mir gerade viel Zeit dafür, meine Wohnung gründlich auszumisten und es ist wie eine Zeitreise. Ständig geraten mir andere Dinge zwischen die Finger - das Foto aus dem Kindergarten, die Todesanzeige meiner liebsten Erzieherin, dann auf einmal das Deutschheft aus der Zwölften. Es sind so viele Dinge dabei, die mich emotional wieder in diese Zeit und zu den Gefühlen zurückbringen. Es sind gute Gefühle dabei, doch vor allem schlechte. Schlechte, weil ich mich daran erinnere, wie es mal war und nie wieder sein wird - oder, weil mich manches an die dunkelsten Zeiten meines bisherigen Lebens zurückbringt. Ich habe nur darauf gewartet, dass ich darunter einknicke. Und gestern Abend, wie aus dem Nichts, war es so weit. Ich musste so sehr weinen, wie ich es seit Jahren nicht mehr konnte. So sehr, dass die Brust wehtut und man nicht mehr weiß, wie man jemals wieder atmen soll. Und trotzdem bin ich froh, den Schritt zu gehen. Denn ich kann nie mit der Vergangenheit abschließen, wenn ich sie aussperre. Es wird Zeit, sie noch einmal zu betrachten, sie anzunehmen und sie zu einem Teil von mir werden zu lassen, ohne dass sie mich dabei zerstört. Denke ich.

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