Soziale Kontakte - Eigene Erfahrungen
Ich habe mir gedacht, ich tippe mal ein paar meiner Gedanken und Erfahrungen zu einem Thema runter, mit dem ich mich in Therapien lange beschäftigt habe: Soziale Kontakte.
Vielleicht kann der ein oder andere daraus etwas für sich mitnehmen oder von eigenen Erfahrungen berichten.
Angenommen man ist im Pausenraum auf der Arbeit, in der Mensa in der Uni, im Raucherraum in einer Psychiatrischen oder sonstwo und sieht eine Gruppe von mehr oder weniger bekannten Leuten, die sich alle toll unterhalten. Man will sich da irgendwie einfügen, traut sich aber nicht. Jetzt gibt es Leute, die können das einfach: Sie gehen locker auf andere zu, können spontan über Gott und die Welt reden... Den Soziophobikern, Menschen mit eingeschlafenen oder generell schwach ausgebildeten Social Skills, Introvertierten etc geht das leider nicht so einfach von der Hand.
Ich fand es bei sozialen Kontakten immer schwierig einen "gesunden" Mittelweg zu finden. Einen Weg, bei dem man sein kann wie man ist und sich nicht verbiegen muss. Einen Weg, bei dem man nicht ständig irgendeine unechte "Maske" aufrecht erhalten muss - und Angst haben, Andere würden herausfinden wie man wirklich ist, wenn diese Maske anfängt zu bröckeln. Beispielsweise wenn man sich mal "gehen lässt" oder nach Jahren keine Energie oder Lust mehr hat sich zu verstellen. Im Endeffekt macht man damit nicht nur den Anderen etwas vor, sondern auch sich selbst.
Auch wenn Smalltalk bis heute immer noch mein größtes Problem ist, habe ich über die Jahre aber doch einiges an Erfahrung gesammelt und Fortschritte gemacht, was das Zugehen auf andere angeht. Im Gruppentraining Sozialer Kompetenzen habe ich damals z.B. ein paar Grundlagen gelernt, worauf man achten kann. Unter anderem:
- Interesse zeigen (zeigen aber nicht heucheln), z.B. auch durch Nachfragen, aktives Zuhören etc
- Gemeinsamkeiten betonen
- die andere Person mit ihrem Namen ansprechen
- offene & dem Gegenüber zugewandte Körperhaltung, lächeln, Blickkontakt...
Im Grunde das gesamte nonverbale Auftreten ansich, um möglichst sympathisch & aufgeschlossen zu wirken
- authentisch sein
- Smalltalk
Meine größte Frage war damals allerdings: Schön, darauf kommt es an, wenn der Erstkontakt hergestellt ist. Aber wie komme ich überhaupt erst mit anderen in Kontakt?
Erfahrungsgemäß erledigt sich vieles schon von ganz alleine, wenn man seine Erwartungshaltung ändert; sich selbst in einem anderen Licht sieht: Das kann für den einen bedeuten davon auszugehen, dass man genau so viel "wert" ist wie jeder andere auch. Für einen anderen beispielsweise Gedanken wie "Ich habe es nicht verdient glücklich zu sein" zu widersprechen. Für wiederum einen anderen heißt das, dass man sich nicht eingeschüchtert fühlen muss, nur weil jemand anderes besser aussieht. Auch Menschen die hammer aussehen können sich einsam fühlen, z.B. weil sich viele gar nicht erst trauen sie anzusprechen oder Bekanntschaften einfach nur als oberflächlich erlebt werden - die Probleme sind oft dieselben wie bei anderen auch, nur aus einer anderen Perspektive. Hier muss aber eigentlich jeder für sich herausfinden, ob und mit welchen Gedanken man sich selbst Steine in den Weg legt.
Zur Not bedeutet Erwartungshaltung ändern dann auch, dass man es sich zunächst "einredet" - und ja, es kann und darf sich auch ein bisschen wie Selbstbetrug anfühlen - trotzdem kann das bereits einen Einfluss auf die eigene Selbstsicherheit haben, was wiederum von anderen positiv wahrgenommen wird. Wenn man damit Erfolg hat, kann man sich von guten Erfahrungen immer noch "überzeugen" lassen. Das englische Sprichwort "Fake it until you make it" trifft den Nagel hier ziemlich passend auf den Kopf.
Mir persönlich hilft es generell, solche Dinge als eine Art soziales Experiment zu sehen: Ich gehe natürlich nicht von Anfang an blind davon aus, dass ich mit meinen über die Jahre eingeschlafenen sozialen Skills beim ersten Versuch den super Erfolg habe. Das hat für mich dann auch nichts mehr mit "etwas positiv sehen" zu tun, sondern wäre einfach nur naiver, unrealistischer Optimismus. Das Ergebnis des Experiments ist für mich offen. Klar, ich habe einen oder mehrere Ausgänge im Kopf die ich für mehr oder weniger realistisch halte. Wirklich wissen kann ich es aber erst, wenn ich das Experiment auch durchführe.
Auch wenn der Satz mittlerweile ziemlich abgedroschen ist: Aber was gibt es zu verlieren? Die aktuelle Situtation ist ja anscheinend auch nicht der Hit. Schlechte Erfahrungen machen? Wer das ganze Leben schon davon ausgegangen ist, dass sowas nur zu erneuten Fehlschlägen führt, dürfte in solch einem Fall ja sowieso nicht groß enttäuscht sein, falls es wirklich die ersten paar Male nach hinten losgeht.
Mich blamieren, sinnloses Zeug quatschen o.ä.? Oft ist das rein subjektiv und kommt nur einem selbst so vor, während die andere Person es gar nicht mitbekommt.
Oftmals hat man schlicht Angst vor einer bestimmten Reaktion - z.B. ausgelacht oder ignoriert zu werden, anfangen zu stammeln, peinliche Stille etc. Ob die Angst begründet oder unbegründet ist, ist im Grunde auch erstmal egal. Fakt ist, das Gefühl ist da und geht auch nicht unbedingt weg, wenn einem Gründe genannt werden die dagegen sprechen. Ich habe für mich die Erfahrung gemacht, dass es meistens nur die Angst ist nicht zu wissen, wie ich auf eine Situation reagieren soll. Deswegen finde ich es echt wichtig einen Backup-Plan zu haben. Klar, man kann sich nicht auf alle möglichen Ausgänge vorbereiten und wird ihn wahrscheinlich nicht unbedingt brauchen, mir persönlich gibt es aber eine Menge Sicherheit zu wissen, wie ich souverän aus so einer befürchteten Situation heraus komme, wenn es wirklich hart auf hart kommen sollte:
Angenommen ich nehme Kontakt zu einer Gruppe im Pausenraum auf und die fangen an zu lachen nach dem Motto "Was für'n Bollo. Was willst du denn?". Ist mir jetzt noch nie passiert, und eher eine unbegründete Angst als wirklich realistisch. Ich wüsste aber, dass ich mit einem "Ohje, ich hätte gedacht du bist reifer." nicht mich selbst, sondern den Anderen wie einen Idioten dastehen lassen könnte und gelassen weggehen. Den Ball zurück spielen sozusagen.
Angenommen die andere Person reagiert einfach nicht? Klar, das könnte mal vorkommen. Ob die andere Person vielleicht einfach nur Ohrstöpsel drin hat, in Gedanken versunken ist, mich willentlich ignoriert oder sogar selbst etwas unsicher ist und nicht weiß, ob und was sie sagen sollte, weiß ich nicht und ist dann im Grunde auch irrelevant. Wortlos umdrehen, wieder gehen und ein gedachtes "Naja, ich hab's versucht" fände ich da angenehmer und weniger peinlich als da zu stehen und abzuwarten, ob noch eine Reaktion kommt.
Angenommen der erste Kontakt funktioniert, aber es kommt kein vernünftiges Gespräch zustande? Mit einer Ausrede á la "Na gut, ich muss los. Viel Spaß noch / Schön dich kennen gelernt zu haben / Man sieht sich" kann man sich schnell wieder zurück ziehen.
Man darf es ja auch nicht übertreiben und verlangen sich aus dem Stegreif stundenlang unterhalten können zu müssen, wenn man in erster Linie nur das In-Kontakt-Kommen üben möchte. Sich eine niedrige, realistische Grenze zu setzen wie "Ich möchte mich ca. 3-5 Minuten unterhalten" finde ich genau so wichtig wie das Vorhaben ansich. Schrittweise erhöhen kann man es ja immer noch. Und wenn es echt gut läuft und keine Belastung ist, kann man ja immer eine Ausnahme machen.
Die Welt als Übungsfeld zu sehen, sich neu auszuprobieren... zu überprüfen, ob man sich heute wirklich noch so sehr verbiegen muss um irgendwo dazugehören zu können, wie es mir damals in der Schule vorkam. Darauf kommt es mir bei dem Experiment an und dieses Mindset zu entwickeln war im Grunde, was mir persönlich bisher am meisten geholfen hat.
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- · chocoholic
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Ich habe mir gedacht, ich tippe mal ein paar meiner Gedanken und Erfahrungen zu einem Thema runter, mit dem ich mich in Therapien lange beschäftigt habe: Soziale Kontakte.
Vielleicht kann der ein oder andere daraus etwas für sich mitnehmen oder von eigenen Erfahrungen berichten.
Angenommen man ist im Pausenraum auf der Arbeit, in der Mensa in der Uni, im Raucherraum in einer Psychiatrischen oder sonstwo und sieht eine Gruppe von mehr oder weniger bekannten Leuten, die sich alle toll unterhalten. Man will sich da irgendwie einfügen, traut sich aber nicht. Jetzt gibt es Leute, die können das einfach: Sie gehen locker auf andere zu, können spontan über Gott und die Welt reden... Den Soziophobikern, Menschen mit eingeschlafenen oder generell schwach ausgebildeten Social Skills, Introvertierten etc geht das leider nicht so einfach von der Hand.Ich fand es bei sozialen Kontakten immer schwierig einen "gesunden" Mittelweg zu finden. Einen Weg, bei dem man sein kann wie man ist und sich nicht verbiegen muss. Einen Weg, bei dem man nicht ständig irgendeine unechte "Maske" aufrecht erhalten muss - und Angst haben, Andere würden herausfinden wie man wirklich ist, wenn diese Maske anfängt zu bröckeln. Beispielsweise wenn man sich mal "gehen lässt" oder nach Jahren keine Energie oder Lust mehr hat sich zu verstellen. Im Endeffekt macht man damit nicht nur den Anderen etwas vor, sondern auch sich selbst.
Auch wenn Smalltalk bis heute immer noch mein größtes Problem ist, habe ich über die Jahre aber doch einiges an Erfahrung gesammelt und Fortschritte gemacht, was das Zugehen auf andere angeht. Im Gruppentraining Sozialer Kompetenzen habe ich damals z.B. ein paar Grundlagen gelernt, worauf man achten kann. Unter anderem:
- Interesse zeigen (zeigen aber nicht heucheln), z.B. auch durch Nachfragen, aktives Zuhören etc
- Gemeinsamkeiten betonen
- die andere Person mit ihrem Namen ansprechen
- offene & dem Gegenüber zugewandte Körperhaltung, lächeln, Blickkontakt...
Im Grunde das gesamte nonverbale Auftreten ansich, um möglichst sympathisch & aufgeschlossen zu wirken
- authentisch sein
- Smalltalk
Meine größte Frage war damals allerdings: Schön, darauf kommt es an, wenn der Erstkontakt hergestellt ist. Aber wie komme ich überhaupt erst mit anderen in Kontakt?
Erfahrungsgemäß erledigt sich vieles schon von ganz alleine, wenn man seine Erwartungshaltung ändert; sich selbst in einem anderen Licht sieht: Das kann für den einen bedeuten davon auszugehen, dass man genau so viel "wert" ist wie jeder andere auch. Für einen anderen beispielsweise Gedanken wie "Ich habe es nicht verdient glücklich zu sein" zu widersprechen. Für wiederum einen anderen heißt das, dass man sich nicht eingeschüchtert fühlen muss, nur weil jemand anderes besser aussieht. Auch Menschen die hammer aussehen können sich einsam fühlen, z.B. weil sich viele gar nicht erst trauen sie anzusprechen oder Bekanntschaften einfach nur als oberflächlich erlebt werden - die Probleme sind oft dieselben wie bei anderen auch, nur aus einer anderen Perspektive. Hier muss aber eigentlich jeder für sich herausfinden, ob und mit welchen Gedanken man sich selbst Steine in den Weg legt.
Zur Not bedeutet Erwartungshaltung ändern dann auch, dass man es sich zunächst "einredet" - und ja, es kann und darf sich auch ein bisschen wie Selbstbetrug anfühlen - trotzdem kann das bereits einen Einfluss auf die eigene Selbstsicherheit haben, was wiederum von anderen positiv wahrgenommen wird. Wenn man damit Erfolg hat, kann man sich von guten Erfahrungen immer noch "überzeugen" lassen. Das englische Sprichwort "Fake it until you make it" trifft den Nagel hier ziemlich passend auf den Kopf.
Mir persönlich hilft es generell, solche Dinge als eine Art soziales Experiment zu sehen: Ich gehe natürlich nicht von Anfang an blind davon aus, dass ich mit meinen über die Jahre eingeschlafenen sozialen Skills beim ersten Versuch den super Erfolg habe. Das hat für mich dann auch nichts mehr mit "etwas positiv sehen" zu tun, sondern wäre einfach nur naiver, unrealistischer Optimismus. Das Ergebnis des Experiments ist für mich offen. Klar, ich habe einen oder mehrere Ausgänge im Kopf die ich für mehr oder weniger realistisch halte. Wirklich wissen kann ich es aber erst, wenn ich das Experiment auch durchführe.Auch wenn der Satz mittlerweile ziemlich abgedroschen ist: Aber was gibt es zu verlieren? Die aktuelle Situtation ist ja anscheinend auch nicht der Hit. Schlechte Erfahrungen machen? Wer das ganze Leben schon davon ausgegangen ist, dass sowas nur zu erneuten Fehlschlägen führt, dürfte in solch einem Fall ja sowieso nicht groß enttäuscht sein, falls es wirklich die ersten paar Male nach hinten losgeht.
Mich blamieren, sinnloses Zeug quatschen o.ä.? Oft ist das rein subjektiv und kommt nur einem selbst so vor, während die andere Person es gar nicht mitbekommt.
Oftmals hat man schlicht Angst vor einer bestimmten Reaktion - z.B. ausgelacht oder ignoriert zu werden, anfangen zu stammeln, peinliche Stille etc. Ob die Angst begründet oder unbegründet ist, ist im Grunde auch erstmal egal. Fakt ist, das Gefühl ist da und geht auch nicht unbedingt weg, wenn einem Gründe genannt werden die dagegen sprechen. Ich habe für mich die Erfahrung gemacht, dass es meistens nur die Angst ist nicht zu wissen, wie ich auf eine Situation reagieren soll. Deswegen finde ich es echt wichtig einen Backup-Plan zu haben. Klar, man kann sich nicht auf alle möglichen Ausgänge vorbereiten und wird ihn wahrscheinlich nicht unbedingt brauchen, mir persönlich gibt es aber eine Menge Sicherheit zu wissen, wie ich souverän aus so einer befürchteten Situation heraus komme, wenn es wirklich hart auf hart kommen sollte:Angenommen ich nehme Kontakt zu einer Gruppe im Pausenraum auf und die fangen an zu lachen nach dem Motto "Was für'n Bollo. Was willst du denn?". Ist mir jetzt noch nie passiert, und eher eine unbegründete Angst als wirklich realistisch. Ich wüsste aber, dass ich mit einem "Ohje, ich hätte gedacht du bist reifer." nicht mich selbst, sondern den Anderen wie einen Idioten dastehen lassen könnte und gelassen weggehen. Den Ball zurück spielen sozusagen.
Angenommen die andere Person reagiert einfach nicht? Klar, das könnte mal vorkommen. Ob die andere Person vielleicht einfach nur Ohrstöpsel drin hat, in Gedanken versunken ist, mich willentlich ignoriert oder sogar selbst etwas unsicher ist und nicht weiß, ob und was sie sagen sollte, weiß ich nicht und ist dann im Grunde auch irrelevant. Wortlos umdrehen, wieder gehen und ein gedachtes "Naja, ich hab's versucht" fände ich da angenehmer und weniger peinlich als da zu stehen und abzuwarten, ob noch eine Reaktion kommt.
Angenommen der erste Kontakt funktioniert, aber es kommt kein vernünftiges Gespräch zustande? Mit einer Ausrede á la "Na gut, ich muss los. Viel Spaß noch / Schön dich kennen gelernt zu haben / Man sieht sich" kann man sich schnell wieder zurück ziehen.
Man darf es ja auch nicht übertreiben und verlangen sich aus dem Stegreif stundenlang unterhalten können zu müssen, wenn man in erster Linie nur das In-Kontakt-Kommen üben möchte. Sich eine niedrige, realistische Grenze zu setzen wie "Ich möchte mich ca. 3-5 Minuten unterhalten" finde ich genau so wichtig wie das Vorhaben ansich. Schrittweise erhöhen kann man es ja immer noch. Und wenn es echt gut läuft und keine Belastung ist, kann man ja immer eine Ausnahme machen.
Die Welt als Übungsfeld zu sehen, sich neu auszuprobieren... zu überprüfen, ob man sich heute wirklich noch so sehr verbiegen muss um irgendwo dazugehören zu können, wie es mir damals in der Schule vorkam. Darauf kommt es mir bei dem Experiment an und dieses Mindset zu entwickeln war im Grunde, was mir persönlich bisher am meisten geholfen hat.