Kommentar zu 'Leben mit einem Borderliner'
  • Schonmal ganz lieben Dank im Voraus. 

    Jetzt muss ich nur überlegen, wie ich anfange.

    Also wir sind jetzt seit etwas über einem Jahr zusammen. Er hatte mit seiner absolut wundervollen Art, seinem Humor und seiner höchst feinfühligen Art - die ich übrigens auch über alles an ihm schätze - mein Herz im Sturm erobert. Ich war nach ein paar Wochen bereits schwanger - ungewollt, aber glücklich darüber. Er übrigens auch.

    Die Anfangszeit war wunderschön. Geahnt hatte ich von diesem ganzen Sumpf aus Problemen und Selbstzweifeln noch nichts. Dann mit einem Mal kam im Januar die erste tiefe Krise. Er war plötzlich einfach weg, war telefonisch nicht erreichbar und provozierte und beschimpfte mich per WhatsApp. Damals tauchte er nach 5 Tagen wieder auf, fühlte sich furchtbar schlecht, wollte aber auch kein Wort darüber reden. Seitdem stürzen wir aber von einer Krise in die nächste. Er sagt, er kann nicht hier sein, wenn es ihm schlecht geht, weil er dann nicht er selbst ist. Er hat, glaube ich, auch Angst vor diesen unsteuerbaren Impulsdurchbrüchen. Deshalb rennt er weg, schläft bei Kumpels oder im Auto, fährt tausende Kilometer. Greift zu viel zu vielen Schmerztabletten. An Tagen, an denen er in einem Loch hängt, trinkt er Unmengen an Energydrinks - 15 bis 20 Dosen am Tag, obwohl oder gerade weil er weiß, dass das seinem Körper schadet. Er reagiert dann auf keine Textnachricht ( ans Telefon geht er ja nicht). Wenn ich ihn in Ruhe lasse, will er plötzlich Kontakt. Wünsche ich mir ein Lebenszeichen, reagiert er häufig nicht. Er braucht dann teilweise permanent die Versicherung meinerseits, dass ich ihn liebe, wobei er es dann im nächsten Atemzug schonwieder in Frage stellt. Ich hingegen muss häufig lange Strecken ohne ein liebes Wort überstehen, wobei er dann meint, dass ich doch schließlich wissen würde, dass er mich liebt. Aber ganz ehrlich: ich weiß häufig gar nicht, in welchen Film ich da geraten bin. Er ist auch schonmal einfach gegangen, weil mein Blick alles gesagt hätte. Dabei hatte ich - meiner Meinung nach - ganz normal geschaut. Ich war schlicht müde, weil ich halt auch mit allem alleine dastehe.

    Seit der Geburt unserer Tochter gewinnt sein Verhalten irgendwie nochmal ne andere Qualität. Das Gute ist, dass er nicht mehr persönlich beleidigend wird. Da wirkt er gefestigter. Allerdings sind die Zeiträume, in denen er wegläuft, um ein Vielfaches größer geworden. War er früher nur ein paar Tage untergetaucht, ist er inzwischen wochenlang weg. Allerdings meldet er sich zuverlässiger per WhatsApp. Im September war er an einem einzigen Tag mal wirklich richtig hier. Ansonsten schaut er ab und zu kurz vorbei für ne Viertelstunde oder so, wobei er dafür mehrere Anläufe braucht, weil er sich so blöd vorkommt. Ich sage ihm immer wieder, dass er jederzeit hier sein kann und ich mich freue und er sich auch nicht schlecht fühlen muss. Er ist willkommen. Er bringt dann auch immer irgendwas mit wie zum Beispiel Schokolade, die ich gerne esse, oder Sachen für die Kinder.

    Er hat schon öfters den Vorsatz gehabt, hier fest einzuziehen, was aber irgendwie nie klappt. Einmal hatte er sein gesamtes Auto vollgeladen, aber als ich die Sachen mit ihm rein tragen wollte, wurde er völlig nervös und nannte irgendeine Ausrede, weshalb wir das lieber später machen sollten. Das ist natürlich nie passiert.

    Er sagt immer wieder, er will mit uns zusammenleben und am liebsten jeden Tag mit mir verbringen, aber er kann's einfach nicht. Er habe Angst, den Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Er wolle mich nicht enttäuschen. Faktisch stelle ich keine übertriebenen Forderungen an ihn. Ich will doch einfach nur, dass er für mich und seine Tochter mal da ist. Enttäuscht bin ich immer nur, wenn er etwas verspricht und dann es nicht hält. Den Ansprüchen, die ich habe, wird er ja nur durch seine Abwesenheit nicht gerecht. Ich will ja nichts weiter, als geliebt werden. Mal in den Arm genommen werden oder mal ein offenes Ohr für meine Sorgen oder auch nur Gedanken. 

    Womit ich auch überhaupt nicht zurecht komme, ist die Tatsache, dass er ständig versucht, alles für sich alleine zu klären. Er grenzt mich aus seinem ganzen emotionalen Chaos aus. Ich weiß nie, was ihn bewegt oder antreibt. 

    Er hat mir schon sehr viel aus seiner Vergangenheit erzählt, allerdings immer nur in Form von "Faktenwissen". Ich weiß zwar im Groben, was alles passiert ist, aber ich hab keinen blassen Schimmer davon, wie er es erlebt hat.

    Ich hänge irgendwie im luftleeren Raum und soll mich auf irgendwas verlassen bzw auf irgendwas vertrauen, von dem ich gar nicht genau weiß, was es eigentlich ist. Ich hasse es, so zur Passivität verurteilt zu sein. 

    Und ich finde es unerträglich, dass ich emotional ständig mit angezogener Handbremse fahren muss. Ich will auch mal stinkesauer sein können und ich will das auch rauslassen können, ohne dass ich ihn gleich in das nächste tiefe Loch stürze und er an meiner Liebe und allem zweifelt.

    Also zusammenfassend vielleicht so: ich will mit ihm zusammen sein, weil es der wundervollste Mensch ist, den ich je kennengelernt habe. Aber ich habe auch echt Angst, mich selbst zu verlieren.